Rezension lesen ...
"Es ist nun bereits sechzehn Jahre her, dass mir ein Musiker über den Weg lief, der seitdem immer wieder in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen mit seiner Musik in unser Magazin findet. Bis dato drehten sich die Rezensionen immer um seine Band Waiting For Louise.
WFL ist allerdings nicht weit weg, sind doch neben Michael Mann mit Detlef Goch und Ute Rettler bekannte WFL-Namen im Line-up. Dreht man die Zeitschraube zurück bis ins Jahr 1980, findet man auch den Basser Ulrich Adler und den Tastenmann Jörn Bücher im Stammbaum der Musikerfamilie Michael Mann. Die Ursprünge der Rusty Nails heißen Alpsray Riders und Catacombo. Wie bei unzähligen anderen Bands dieser Zeit auch, begann es hauptsächlich mit dem Nachspielen alter Klassiker. Der heutige Bandname wurde 1983 zum ersten Mal verwendet und nach zwei Versuchen, die Band wieder zu beleben, war der dritte Versuch 2011 erfolgreich.
Und das ist gut so, denn die Protagonisten sind aufeinander eingespielt, wie es nur geht, wenn man sich lange kennt und genau so lange miteinander musiziert hat. Das schlägt sich in der Produktion nieder, die zwar äußerst ausgefeilt und professionell daherkommt, auf der anderen Seite aber niemals steril und aufpoliert wirkt. Ich würde das eher organisch nennen und zwei der Stücke von "Big City Tracks" haben es auf Anhieb geschafft, in meine 'Die-Nummer-will-ich-immer-wieder-hören-Liste', sprich Sampler, zu kommen. Das ist erstmal "Neon Night" - eine Art Westcoast-Jam, die relaxt und hemdsärmelig mit saustarker Gitarrenarbeit mehr als begeistert und überzeugt. Das i-Tüpfelchen sind ein, zwei kurze Passagen, in denen in meinem Kopf der Knopf Terrapin Station gedrückt wird.
Der zweite Übersong folgt auf dem Fuß und hört auf den Namen "Late Blues", ein Stück von der New Yorker-Band Ida. Ja, ein Blues, aber was für einer. Eine Gitarre, die trauriger kaum spielen könnte, eine Orgel, die dir die Seele umstülpt... das Original ist mir nicht bekannt, aber die Rusty Nails-Version lässt keine Sehnsucht danach aufkeimen.
Das komplette Album zeigt eine Band, die mit Stimmungen umgehen kann. Die beiden von mir besonders genannten Stücke sind lediglich 'meine Spitze' eines gewaltigen Eisbergs, der bluesig, rockig, jammig durch den Musikkosmos treibt. Die Geschichten hinter den Liedern sind im hochwertigen und ausführlichen Booklet nachzulesen. Infos in dieser Form sind übrigens im Mainstream-Bereich nicht die Regel. Auch dafür Hut ab.
Die scheinbar so notwendige wie überflüssige Schublade: Der Michael Mann, den ich eigentlich unter Singer/Songwriter 'abgelegt' habe, zeigt mit den Rusty Nails ein anderes Gesicht. Ich möchte jetzt keine zigste Unterschublade aufmachen, sondern "Big City Tracks" einfach unter Rock filen. Dieser Rock strotzt jedoch von Feinheiten und dezenten Höhepunkten, die mir keine Wahl lassen: Diese Scheibe hat die Tipp-Grafik wahrlich verdient. Wenn "Neon Nights" und der "Late Blues" für mich auch die beiden Highlights markieren, die anderen sechs Stücke sind mindestens 'Light' und "Big City Tracks" ist eine dieser Scheiben, die immer in Reichweite stehen werden.
"Big City Tracks" ist das dritte Album der Rusty Nails. Hoffentlich nicht das letzte!
"
(Ulli Heiser, www.rocktimes.de, 15. Dez. 2015)